Bruchsal, 22. Oktober 2021. Drastische Steigerungen der Rohstoffpreise und nun der Lohnkostensprung von der einen auf die andere Saison um 25 Prozent – und das bei gleichzeitiger Konkurrenz aus Ländern, die zu einem vielfach geringeren Mindestlohn produzieren können – gefährden die Rentabilität vieler Spargel- und Beerenbetriebe und weiterer handarbeitsintensiven Obst- und Gemüsebetriebe. Wenn die sozialversicherungsfreie Beschäftigung, wie politisch gefordert, für Saisonarbeitskräfte fallen sollte, liegt der Lohnkostensprung gar bei rund 40 Prozent. Dieses Szenario ist für die meisten Betriebe existenzbedrohend. Wie die Ergebnisse der diesjährigen Umfrage des Netzwerks der Spargel- und Beerenverbände e.V. unter Anbauerinnen und Anbauern zeigen, sind die vorhersehbaren Folgen die Reduktion der handarbeitsintensiven Obst- und Gemüseproduktion im Land, die Verlagerung der Produktion ins Ausland und dies, weil sich die Marktpreise im Handel nicht realisieren lassen.
Die Spargel- und Beerenproduktion ist nur mit Hilfe von über 100.000 Erntehelferinnen und Erntehelfern pro Jahr möglich. Diese ernten 270.000 Tonnen Spargel und Erdbeeren in einer Saison, die überwiegend über den Handel verkauft werden. Bei einer Erhöhung des Mindestlohns im Gartenbau und der Landwirtschaft ist zu berücksichtigen, dass überwiegend kurzfristig Beschäftigte aus dem Ausland eingesetzt werden, die mit den Einnahmen aus der Saisonarbeit für die Verhältnisse in ihrem Heimatland ein sehr gutes Einkommen hinzuverdienen.
„Aus diesem Grund fordern wir einen niedrigeren Mindestlohn für Saisonarbeitskräfte in den handarbeitsintensiven grünen Berufen, sowie eine schrittweise parallele Anpassung der Lohnentwicklung in der Branche. Als Ausgleich zur moderateren Lohnsteigerung fordern wir weniger Bürokratie, indem eine Prüfung der Berufsmäßigkeit bei einer kurzfristigen Beschäftigung von drei Monaten und einem Lohn bis zu 2.800 € pro Monat entfällt“, betont Simon Schumacher, Vorstandsmitglied des Netzwerks der Spargel- und Beerenverbände e.V.
Deutsche Produktion konkurriert mit weitaus geringeren Lohnkosten
Diese Zusammenhänge zwischen Ernte und Verkauf müssen bei der sprunghaften Anhebung des Mindestlohns berücksichtigt werden: Die Beerenerzeuger und -erzeugerinnen stehen mit ihrem Produkt im direkten Wettbewerb mit Ländern wie Spanien (Mindestlohn laut stat. Bundesamt: 5,76 €/Std.), Polen (3,64 €/Std.), Griechenland (3,76 €/Std.) Serbien (2,11 €/Std.) und Marokko (1,20 €/Std.).
Der Handel kauft dort, wo er die größten Margen erzielen kann. Zum Beispiel bei Heidelbeeren erleben Beerenproduzenten und -produzentinnen jährlich, dass günstige Ware aus dem Ausland heimischer Ware vorgezogen wird. Die Produkte können nicht nur mit erforderlichen Preisen über die Hofläden und Verkaufsstände abgesetzt werden, da die Ernte saisonal oft auf wenige Tage beschränkt ist, und in kurzer Zeit ein sehr großes Volumen zu sehr vielen Kundinnen und Kunden gelangen muss. Der Lohnsprung um 25 % würde nach Modellrechnungen zu einem Preisanstieg im zweistelligen Prozentbereich führen.
Ein moderater Mindestlohn hingegen sichert die regionale Produktion von wertvollem und sicher erzeugten Obst und Gemüse, mit geringem CO2-Ausstoß und lässt eine Preisgestaltung zu, die auch Menschen mit geringerem Einkommen eine gesunde Ernährung mit frischen Produkten ermöglicht.